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Tausche Dach gegen Grünstrom

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Bitte erläutern Sie kurz was es mit diesem Konzept auf sich hat und wie es sich von jetzt am Markt verfügbaren Lösungen zur Vermarktung von selbst produziertem Solarstrom abgrenzt.

Berghausen: Die Idee ist eigentlich naheliegend: Wenn man, wie mein Partner Tobias Schütt und ich, lange in der Solarbranche arbeitet, sehnt man sich irgendwann nach einem echten Energieversorgungskonzept. Dass selbst Einfamilienhäuser den gesamten auf dem Dach produzierten Strom einspeisen und dann evtl. Atom- oder Kohlestrom für ihren Verbrauch wieder einkaufen, ist doch paradox und irgendwie unnatürlich. Das Netz in Anspruch zu nehmen ist teuer und auch nicht notwendig, wenn man den Strom an Ort und Stelle verbraucht. Glücklicherweise sind die Preise für die Stromerzeugung mit Photovoltaik viel stärker gesunken als von allen angenommen, so dass wir ein teures Förderumfeld wie früher nun nicht mehr brauchen und echte Energieversorgungskonzepte langsam möglich werden. Im Kern unseres Angebotes stehen deshalb zwei Dinge: Erstens, eine radikale Vereinfachung des Solarstromangebotes für den Endkunden, nämlich nur noch eine Stromlieferung. Sämtliche zeit- und nervenfressenden Dinge einer solchen Anschaffung, wie Wahl der Lieferanten und Komponenten, Finanzierung, Wartung, Betrieb und Versicherung, übernehmen wir für den Kunden. Zweitens gewährleisten wir über einen dezentralen Stromspeicher im Haushalt, dass möglichst viel Strom vor Ort zu verbraucht wird und auch die Abendstunden mit Solarstrom abgedeckt werden.

Das Konzept hört sich sehr spannend an, gerade weil es scheinbar nur Vorteile für den Endkunden gibt, der sauberen Ökostrom vom Dach beziehen möchte ohne Geld investieren zu müssen. Beides bietet das DZ-4-Konzept. Wie kann man sich nun die Umsetzung des Konzepts in der Praxis vorstellen? Wie schaffen Sie die 100%ige Ökostromversorgung des Kunden?

Berghausen: In der Praxis arbeiten wir mit einem Netzwerk von Partnern zusammen: Bei der technischen Anlage mit Systemhäusern, die die Logistik abdecken, und regionalen Installationspartnern, die Bau und Wartung übernehmen. Zudem kooperieren wir natürlich mit klassischen Energieversorgern bzw. Grünstromhändlern, die bundesweit zuliefern können, insbesondere dann, wenn im Winter die Sonne längere Zeit nicht ausreichend scheint und die kalten, dunklen Monate überbrückt werden müssen. Im Jahresmittel rechnen wir mit ca. 30% Zukauf von einem Grünstrompartner. Dieser Kompromiss ist für die Wirtschaftlichkeit notwendig, andernfalls müssten Solaranlage und Speicher derart überdimensioniert werden, dass sie einerseits sehr teuer werden, andererseits im Sommer auch wieder so große Überschüsse produzieren, dass der Großteil eingespeist werden muss.

Sie bieten dem Kunden eine 10jährige Preisgarantie. Bei ständig und sicherlich auch in Zukunft steigenden Strompreisen ein starkes Argument. Doch birgt der schnelllebige Strommarkt mit sich ständig verändernden gesetzgeberischen Vorgaben nicht auch ein hohes Risiko, mit einem solchen Angebot zu scheitern. Wie schaffen Sie es, die Strompreise stabil zu halten?

Berghausen: Für den Großteil des von uns gelieferten Stroms, nämlich den aus der Anlage, sind die Kosten fixiert, denn sie bestehen im Wesentlichen aus den Investitionskosten der Anlage bzw. deren Finanzierungskosten und geringen laufenden Kosten. Für den zugelieferten Anteil aus dem Netz haben wir diese Stabilität nicht. Entweder ist dies bereits von Anfang an durch einen höheren Verkaufspreis berücksichtigt oder dieser Teil bleibt variabel und letztlich beim Risiko des Kunden. Das ist Abwägungssache. Letztlich können auch wir uns von der Gesetzgebung nicht völlig loskoppeln.

In Deutschland hat sich die Solarbranche rasant entwickelt. Viele tausend regionale Anbieter buhlen jeden Tag um Kunden. Vielen käme ein Konzept wie Ihres gerade richtig, um sich vom Anlagenverkäufer zum Stromlieferanten weiterzuentwickeln. Birgt dies nicht die Gefahr von Nachahmern? Wo sehen Sie speziell Ihre Stärken, ein solches Konzept zum Erfolg führen zu können? Bieten Sie eine Art Franchise-Konzept, um auch die vielen Solarteure mit einzubinden?

Berghausen: Wir glauben fest an unser Geschäftsmodell und wollen die Ersten in der Umsetzung sein. Sicher wird es auch Nachahmer geben, das bestätigt ja nur unseren Ansatz und der Markt ist groß genug für mehrere Anbieter. In den Monaten, die wir nun schon Vollzeit an dem Thema arbeiten, haben wir eine Menge gelernt und wissen, welche kritischen Punkte zu meistern sind. Die Komplexität in unserem Modell können aus unserer Sicht nur diejenigen bewältigen, die ein effektives Netzwerk mit starken Umsetzungspartnern zusammenbringen und eine klare Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen setzen. Letztlich gehört dann noch das richtige Timing und ein glückliches Händchen bei der Umsetzung dazu. Wir hoffen, dass uns diese Kombination gelingt.

Die DZ-4 ist Anfang 2012 gestartet, plant dieses Jahr die ersten 10 Pilotanlagen. Im nächsten Schritt sollen dann bereits 100 weitere PV-Anlagen folgen. Den Break-even erwarten Sie bei rund 10.000 umgesetzten Projekten. Wie ist der aktuelle Stand der Unternehmensentwicklung? Welche Erfahrungen konnten Sie aus den ersten Projekten gewinnen?

Berghausen: Wir haben ein sehr gut entwickeltes Netzwerk und die Ecken und Kanten des Geschäftsmodells ausgelotet. Da bleibt noch einiges an Arbeit, um alles rund zu machen. Wir sind froh, mit unserem ersten Investor Watt & Wärme aus Hamburg einen Partner gefunden zu haben, der wie wir an das Konzept glaubt und mit dem wir uns gut ergänzen. Die ersten Pilotanlagen werden nun spannend, zumal wir viel mehr Optionen haben, als wir letztlich umsetzen können. Dies betrifft sowohl unsere Interessentendatenbank als auch unsere Netzwerkpartner in der Umsetzung. Wir wollen aber allen Interessenten ein Angebot machen, auch wenn das in diesem Jahr noch nicht das DZ-4 Endmodell sein wird. Wir konzipieren zur Zeit ein „DZ-4 Light“ Modell, das eine Zwischenstufe darstellt. Das wird noch nicht ganz so komplett sein wie DZ-4 in der finalen Ausbaustufe, aber schon mehr als der heutige klassische Anlagenverkauf.

Aktuell scheint die Energiewende von der Regierung selbst wieder in Frage gestellt zu werden. Die gesteckten Ziele seien bis 2020 nicht gänzlich umsetzbar. Umfragen zeigen jedoch deutlich, dass der Wille zur Wende in der Bevölkerung bereits fest verankert ist. Wie schaffen wir die Energiewende? Was muss getan werden, um zukünftig bezahlbare und umweltfreundliche Energie produzieren und konsumieren zu können?

Berghausen: Die Energiewende ist ein positiver Business Case mit enormen unternehmerischen Potenzialen in allen Bereichen: Industrie, Handel, Handwerk, Bürger. Insbesondere auch für die privaten Bürger, ob im Eigenheim, aber auch in der Mietwohnung. Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, selbst Energieproduzent zu werden oder sich an der Energieversorgung zu beteiligen, auch mit kleinen Beträgen. Es ist schade, dass die aktuelle Debatte zur Energiewende so kurz greift und dabei auf eine Kostensteigerung reduziert wird. Es wird mit Schreckgespenstern argumentiert, wobei die riesigen Chancen doch offensichtlich sind. Zudem ist die Energiewende alternativlos und Schnelligkeit dabei entscheidend. Denn langfristig ist die atomar-fossile Energieversorgung die allerteuerste, denken Sie nur an Entsorgungsproblematiken und den Klimawandel, der uns noch kolossale Folgeschäden bescheren wird. Wir leben seit Jahrzehnten auf Pump, dabei geht es bereits anders. Wir versuchen, ein bisschen was davon zu zeigen.

Hintegrundinformation:

Unser Gesprächspartner Florian Berghausen ist Marketingprofi und Solarexperte. In 10 Jahren Solarbranche in unterschiedlichen nationalen und internationalen Vertriebs- und Marketingfunktionen erwarb er sich insbesondere beste Kontakte zu deutschen Fachhändlern und Solarinstallateuren. Ausgeprägte Expertise in den Disziplinen des B2B und B2C Marketings, des Innovationsmanagements sowie der Angebots- und Vertriebskanalentwicklung eignete er sich unter anderem als nordeuropäischer Marketingmanager der Solarsparte eines internationalen Energiekonzerns an. Zuletzt war er als Channel Development Manager für die Wechselrichtersparte eines großen dänischen Industriekonzerns tätig. Seit Anfang 2012 ist er als Gründer bei DZ-4 an Bord.

Bild: © Florian Berghausen & Tobias Schütt | DZ-4 GmbH

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