Archiv

Mietrecht: Kein Anspruch auf energetische Modernisierung

Hallo Herr Siebenkotten, vielen Dank, dass sie sich die Zeit nehmen, mit uns ein Interview zu führen. Herr Siebenkotten, Deutschland erlebt gerade eisige Minustemperaturen. Gerade jetzt merkt man als Mieter am eigenen Leib, was es heißt, wenn das Haus schlecht gedämmt ist, die Heizung nicht richtig funktioniert oder die Heizwärme nicht richtig in den Räumen verteilt wird.

Welche Möglichkeiten habe ich als Mieter denn grundsätzlich, meinen Vermieter zu energetischen Verbesserungen am Haus zu bewegen. Welche Vorgehensweise würden Sie empfehlen?

Siebenkotten: Rechtlich hat der Mieter keine Möglichkeit, den Vermieter zu energetischen Modernisierungen zu bewegen. Es ist allein Sache des Vermieters, ob, wann und in welchem Umfang modernisiert wird. Selbst wenn der Mieter vorschlägt, auf eigene Kosten eine energetische Modernisierung vorzunehmen und hierzu auch die Handwerker beauftragen will, die sonst in der Vermieterimmobilie tätig sind, muss der Vermieter nicht zustimmen. Das hat der Bundesgerichtshof vor wenigen Wochen entschieden (BGH VIII ZR 10/11). Von daher bleiben dem Mieter nur freundliche Worte und überzeugende Argumente, wenn er den Vermieter zu Investitionen überreden will.

Wenn sich der Vermieter daraufhin entschließen sollte, zum Beispiel die Fassade zu dämmen oder Energiesparfenster einzubauen, dann sind diese Maßnahmen ja häufig mit wohnlichen Einschränkungen verbunden: Baugerüste verdunkeln die Zimmer, Baulärm und Baustaub liegen für mehrere Wochen in der Luft.

Muss man diese Einschränkungen im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes hinnehmen oder bleibt nur der Gang zum Rechtsanwalt? Wie sehe für Sie der ideale Ablauf aus, um eine energetische Sanierung zwischen Mieter und Vermieter so reibungslos wie möglich zu gestalten?

Siebenkotten: Nach geltendem Recht muss der Mieter 100 Prozent Miete zahlen, wenn die Wohnung zu 100 Prozent in Ordnung ist. Wird – aus welchen Gründen auch immer – das Haus eingerüstet, werden die Fenster mit Planen verhängt, kommt es zu erheblichen Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen, kann der Mieter natürlich die Miete mindern, die Wohnung ist nicht zu 100 Prozent in Ordnung. Dieses Minderungsrecht gibt es überall im Zivilrecht, im Kaufrecht, im Reiserecht oder bei sogenannten Werkverträgen. Bei energetischen Modernisierungen will der Gesetzgeber dieses Minderungsrecht jetzt für Mieter für den Zeitraum von drei Monaten abschaffen. Wir halten das für falsch.

Unabhängig davon können Mieter und Vermieter natürlich eine Absprache treffen, wonach beispielsweise der Mieter Störungen während der Bauzeit akzeptiert und der Vermieter dies bei der Modernisierungsmieterhöhung später berücksichtigt. Hier sollten sich Mieter auf jeden Fall von ihrem örtlichen Mieterverein beraten lassen.

Wir schreiben auf heizungsfinder.de immer wieder über energiesparende Haustechnik und Gebäudehüllen. Als Laie lassen sich solche Dinge gerade bei einem Neubezug natürlich nur recht schwer beurteilen. Um dem zukünftigen Mieter trotzdem eine Beurteilungsmöglichkeit zu bieten, wurde ja auch der Energieausweis eingeführt, den der Vermieter vorzeigen muss.

Reicht der Energieausweis aus, um als Mieter sicher zu gehen, dass man nicht in eine energetische Bruchbude zieht? Welches Vorgehen bietet sich an, wenn der Energieausweis nicht vorgelegt werden kann. Hat der Vermieter eventuell weitere Informationspflichten auf die man sich als Mieter später berufen kann?

Siebenkotten: Der Vermieter muss Mietinteressenten den Energieausweis vorlegen. Allerdings hat der Energieausweis einen Geburtsfehler. Es gibt den verbrauchsorientierten Energieausweis, der letztlich nur Informationen über die Energieverbräuche der aktuell dort wohnenden Mieter wiedergibt, und es gibt den bedarfsorientierten Energieausweis, der den tatsächlichen Energiebedarf der Immobilien objektiv festhält. Da der Verbrauchsausweis aber deutlich preiswerter als der Bedarfsausweis ist, wird der von Vermietern vorrangig verwendet. Die Vergleichbarkeit einzelner Immobilien wird hierdurch erschwert. Mieter sollten deshalb beim Vertragsabschluss nach der Heizungsart, ggf. dem Baujahr der Heizung und evtl. bereits durchgeführten Modernisierungen fragen. Sie können sich von ihrem Vormieter die Heizkostenabrechnung zeigen lassen oder den Vermieter bitten, ihnen entsprechende Informationen zu geben.

Ein BGH-Urteil hat Anfang Februar die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Heizkostenabrechnungen nach dem Abflussprinzip sind nicht zulässig, sondern müssen verbrauchsabhängig erfasst werden.

Was raten Sie Mietern, damit bereits die nächste Heizkostenabrechnung nach diesem Prinzip berechnet wird? Müssen jetzt neue Messgeräte eingebaut werden, die dann wiederum die Messkosten verteuern? Ist das BGH-Urteil jetzt der Weisheit letzter Schluss oder gibt es weitere Verbesserungsmöglichkeiten bei der Heizkostenabrechnung?

Siebenkotten: Das neue Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH VIII ZR 156/11) ist häufig falsch dargestellt oder interpretiert worden. Der Bundesgerichtshof hat lediglich festgestellt, dass Heizkostenabrechnungen nach dem Abflussprinzip unzulässig sind. Rechnet der Vermieter trotzdem nach dem so genannten Abflussprinzip ab, haben Mieter Anspruch darauf, dass sie eine neue Abrechnung erhalten. Hierbei geht es aber lediglich um die Frage, wie der Vermieter die Höhe der Heizkosten feststellt, die er dann in einem zweiten Schritt auf die Mieter des Hauses verbrauchsabhängig verteilt. Dieser zweite Schritt, die verbrauchsabhängige Abrechnung anhand von Heizkostenverteilern in den Mieterwohnungen, stand gar nicht zur Debatte. Hier ändert sich nichts.

Es ging nur um die Frage, ob die eigentlichen Heizkosten, die zur Verteilung kommen, nach dem so genannten Leistungsprinzip festgelegt werden müssen. Das ist der Normalfall. Hier rechnet der Vermieter in die Heizkosten all das ein, was in der Abrechnungsperiode ins Haus geliefert und ihm in Rechnung gestellt worden ist.

Bei dem so genannten Abflussprinzip rechnet der Vermieter in die Heizkosten aber nur seine Abschlagszahlungen beispielsweise an seinen Fernwärme- oder Gaslieferanten ein. Das hat mit den tatsächlichen, in der Abrechnungsperiode entstandenen Kosten aber nichts zu tun und ist deshalb unzulässig.

Die Finanzkrise hat viele Immobilieninvestoren eine Menge Geld gekostet. Die Renditeerwartungen sind nun noch höher. In Hamburg gibt es bereits ganze Wohnblöcke, die verkommen, obwohl vor Kurzem noch die Miete erhöht wurde. Eigentümer der Immobilie sind dann sehr häufig Immobilienfonds, für die nur die kurzfristige Rendite zählt.

Was raten Sie Mietern, wenn die eigene Immobilie an einen Immobilienfonds verkauft werden soll? Besteht dann grundsätzlich die Gefahr, dass die Miete erhöht wird und keine Gelder mehr in den Erhalt der Häuser fließen? Kann man sich als Mieter im Vorfeld absichern, indem man z. B. auf einen neuen Mietvertrag drängt, der einen solchen Fall berücksichtigt?

Siebenkotten: Wenn das Mietshaus verkauft wird, gilt zunächst einmal, dass der alte Mietvertrag weiter gilt, auch der neue Eigentümer muss sich an die ursprünglich vereinbarten Absprachen und Vertragsinhalte halten. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein privater Eigentümer, die Stadt oder ein Finanzinvestor kauft. Es spielt auch keine Rolle, wer Käufer ist, wenn es um den Umfang möglicher Mieterhöhungen geht. Einzeleigentümer, Stadt und auch Finanzinvestoren müssen sich an die gesetzlichen Regelungen halten. Danach sind Mieterhöhungen bis höchstens zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich. Aber natürlich kauft ein Finanzinvestor eine Immobilie, um möglichst hohe Gewinne, also Renditen, zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er die Möglichkeiten der ortsüblichen Vergleichsmiete „voll ausnutzt“, ist groß. Hiergegen kann man sich als Mieter nur schwerlich absichern. Sichergestellt werden muss aber, dass Mieter nicht zu viel, keine überhöhten Mietforderungen zahlen. Deshalb sollte man als Mieter, bevor auf eine Mieterhöhung gezahlt wird, den örtlichen Mieterverein einschalten.

Daneben besteht bei derartigen Wohnungsverkäufen oder –käufen natürlich auch die Gefahr, dass Finanzinvestoren die Investitionen in die Wohnungsbestände, das heißt in Reparaturen, Instandhaltungen oder energetische Modernisierungen, zurückfahren. Aber auch sie sind verpflichtet, auftretende Wohnungsmängel abzustellen. Geschieht dies nicht, haben Mieter das Recht, die Reparatur einzufordern. Notfalls können sie diese einklagen. Und Mieter können die Miete mindern.

Wenn die Heizung im Winter ausfällt und der Hausmeister steht gerade nicht zur Verfügung. Dann wird es schnell ungemütlich in der Wohnung.

Kann man als Mieter eigenständig einen Heizungsbetrieb beauftragen, wenn der Hausmeister nicht erreichbar ist? Wer bezahlt dann die Kosten für einen solchen Einsatz?

Siebenkotten: Nur in Notfällen können Mieter direkt einen Heizungsbetrieb beauftragen, wenn bei ihnen die Heizung ausgefallen ist. Der Normalfall ist, dass in einer derartigen Situation der Vermieter oder ein Ansprechpartner des Vermieters benachrichtigt werden muss. Der ist dann verpflichtet, sich um die Reparatur zu kümmern. Geschieht nichts, kann der Mieter eine kurze Frist setzen mit der Androhung, selbst Handwerker zu beauftragen.

Ähnlich ist die Situation, wenn beispielsweise am Wochenende die Heizung ausfällt. Hat der Vermieter keine festen Ansprechpartner oder keine Not-Telefonnummer für diese Fälle an den Mieter weitergegeben, muss der nicht zwei oder drei Tage im Kalten sitzen. Bei Minusgraden und vollständigem Ausfall der Heizung kann dann eine Fachfirma beauftragt werden, die Heizung zu reparieren. Allerdings darf nur das Notwendigste gemacht werden, damit die Heizung wieder „läuft“. Die Kosten muss der Mieter letztlich vorstrecken, er kann sie von seinem Vermieter zurückfordern bzw. mit der nächsten Mietzahlung verrechnen.

Viele Immobilien werden wärmegedämmt. Das reduziert den Heizwärmebedarf, gleichzeitig muss aber auch mehr gelüftet werden, um Schimmel zu vermeiden. Wenn man berufstätig ist oder es zum Beispiel keine Trockenräume für feuchte Wäsche gibt, kann es schnell zum Schimmelbefall kommen.

Wie geht man als Mieter vor, wenn nach einer Dämmung Schimmel auftritt, man sein Wohnverhalten aber nicht geändert hat? Wer hat dann Schuld?

Siebenkotten: Treten in der Wohnung Feuchtigkeitsschäden und Schimmel auf, kann dies zum einen auf Baumängel zurückzuführen sein, aber natürlich auch auf falsches Heiz- oder Lüftungsverhalten des Mieters. Viele Mieter wissen nicht, dass sie beispielsweise nach erfolgten Dämmarbeiten oder nach dem Austausch der Fenster verstärkt lüften müssen. Allerdings hat der Vermieter hier auch entsprechende Informationspflichten. Nach unserer Erfahrung machen es sich viele Vermieter aber auch zu leicht. Sie antworten quasi reflexartig auf Mieterbeschwerden, dass Schimmel in der Wohnung aufgetreten ist, mit dem Hinweis auf falsches Heizen oder falsches Lüften.

So einfach geht es natürlich nicht. Bei Feuchtigkeitsschäden und Schimmel in der Wohnung muss der Vermieter zunächst einmal darlegen und beweisen, dass kein Baumangel vorliegt. Erst wenn dieser Nachweis gelungen ist, kann man sich der Frage zuwenden, ob der Mieter ordentlich und vernünftig geheizt und gelüftet hat. In unserer Informationsbroschüre „Wohnungsmängel und Mietminderung“, die übrigens bei allen örtlichen Mietervereinen gekauft werden kann, geben wir ausführliche Informationen zu diesem Thema, auch mit Tipps zum Heizen und Lüften.

Herr Siebenkotten, gestatten Sie mir eine letzte Frage: Wie stellen Sie sich als Interessenvertreter das ideale Mietshaus in 20 Jahren vor? Wie nachhaltig kann zukünftig die Heizwärme- und Stromversorgung im Interesse der Mieter gestaltet werden?

Siebenkotten: Ich erwarte, dass in 20 Jahren die Energiewende auch in großen Teilen des Wohnungsbestandes geschafft ist. Das bedeutet, ich hoffe, dass in 20 Jahren die Wohnungsbestände deutlich energieeffizienter sind als heute. Dazu gehört auch – vielleicht sogar in erster Linie – neue, moderne Heizungstechnik.

Ich hoffe aber auch, dass es in 20 Jahren Menschen wie mir bzw. normalen Mietern möglich ist, die Wohnung zu nutzen, ohne vorher ein Fachstudium absolviert haben zu müssen. Ich bin sicher, dass es in 20 Jahren zahlreiche Leuchtturmprojekte gibt, wo mit Hilfe von Kraft-Wärme-Kopplung oder ähnlichen Techniken so gut wie keine Energie mehr verbraucht wird. Ich bin aber skeptisch, dass dies schon die Blaupause für unseren gesamten Wohnungsbestand darstellen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Foto: Lukas Siebenkotten – Deutscher Mieterbund e. V.)

Hintergrund: In deutschen Heizungskellern herrscht seit Jahren Modernisierungsstau. Trotz guter Absatzzahlen deutscher Heizungshersteller sind 2011 immer noch 78 Prozent der Heizungen in Deutschland weiterhin nicht auf dem aktuellen Stand der Technik und verbrauchen zu viel Energie. Zudem wurden 2011 16 Prozent weniger regenerative Heizungen eingebaut als noch 2006.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert