Archiv

„Ich habe mich nicht für Photovoltaik entschieden, die Photovoltaik hat sich für mich entschieden“

Herr Seltmann, was bewegt einen jungen Mann Anfang der 90er Jahre, eine Photovoltaikanlage zu bauen? Sie waren damals 22 Jahre alt, als Sie Anlagenbetreiber wurden.

Photovoltaik hat mich schon seit Kindestagen fasziniert. Die Tatsache, dass man mit einer hauchdünnen Folie die man ins Licht hält, Strom erzeugen kann. Durch einen Effekt, der sich physikalisch völlig klar und rational beschreiben lässt – der für den eigenen Kopf aber nicht vollständig zu begreifen ist. Von dieser Faszination angetrieben habe ich schon als Jugendlicher Solartaschenrechner zerlegt, um Spielsachen anzutreiben. Dieses technische Interesse hat sich um die Wendezeit bei mir verstärkt, als ich Photovoltaik zum ersten Mal im Zusammenhang mit Energiewirtschaft und Netzeinspeisung wahrgenommen habe.

Auf einem Marktplatz hatte ich damals ein Schlüsselerlebnis, als der Solarenergie Förderverein mit PV-Modulen Strom erzeugte und diesen in eine herkömmliche Steckdose einspeiste. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass wir belogen worden waren. Mit einem Mythos vom teuren, unwirtschaftlichen, nicht ausgereiften Solarstrom, der ja bis heute noch propagiert wird. Das war für mich die Initialzündung! Zu erkennen, dass wir bei der Energieversorgung nicht ausschließlich auf Kohle, Atom und Erdgas angewiesen sind wie uns die damaligen Energieexperten immer weismachen wollten. So habe ich mich in den Folgejahren beim Solarenergie Förderverein engagiert und auch angefangen in der Branche zu arbeiten. Eine eigene Photovoltaikanlage war dann die logische Konsequenz.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie die Anlage nicht nur aus technischem Interesse gebaut haben?

Zunächst einmal war für mich eine eigene Anlage absolut notwenig, um weitere Erfahrungen zu sammeln. In den 90er Jahren wurden die technischen Grundlagen für den Privatgebrauch von Photovoltaikanlagen gelegt. So war meine Anlage unter anderem der Prototyp für die Erprobung eines neuen Montagesystems. Und ich konnte nach und nach die Grundlagen für meine heutige Arbeit als unabhängiger Experte und Autor legen.

Aber Sie haben schon Recht, der Bau der Anlage war damals 1994 zu einem Stück weit auch politisch motiviert. Der Solarenergie Förderverein hat sich zu dieser Zeit für ein erstes Fördermodell für Photovoltaikanlagen engagiert, die kostendeckende Vergütung. Meine Gemeinde wollte sich auf meinen Vorschlag hin gar nicht erst mit diesem Thema auseinandersetzen, da es im Gemeindegebiet keine Photovoltaikanlage gab. Also haben wir als Aktivisten einfach eine Anlage gebaut. Zu damals noch völlig utopischen Preisen und gänzlich ohne Förderung. Den Strom haben wir voll ins Netz eingespeist, damit sich die Gemeinde mit uns auseinandersetzen musste.

Einspeisung war damals noch eine Form des Protests?

Auf jeden Fall! Den Strom selbst zu verbrauchen wäre finanziell sinnvoller gewesen. Aber so konnten wir durch die Einspeisung unserem Anliegen von der kostendeckenden Vergütung im Gemeinderat mehr Gehör verschaffen. Dieses kann man sich heute als Vormodell des EEG vorstellen. Das Thema lag dann eineinhalb Jahre auf dem Tisch, bis eine positive Entscheidung getroffen wurde. Die Anlage war ab dann das Vorzeigeprojekt unserer Gemeinde.

Das heißt, Sie haben in den Anfangsjahren freiwillig draufgezahlt für Ihr Anliegen?

Von Rendite konnte in den Anfangsjahren sowieso keine Rede sein. Was die Erträge angeht, konnte man die Zeit bis zum Jahr 2000 vergessen. Der Strom wurde damals noch nach dem Stromeinspeisegesetz abgerechnet. Das heißt, man bekam eine Vergütung von 80 Prozent des damaligen Strompreises. Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Abrechnung. Weil uns die Gemeindewerke Gebühren für den Einspeisezähler in Rechnung gestellt haben, mussten wir am Ende wirklich noch draufzahlen. Ab dem Jahr 2000 gab es dann auch für Altanlagen wie unsere eine feste Einspeisevergütung von 99 Pfennig pro Kilowattstunde.

Wann hat sich die Anlage bezahlt gemacht?

Ehrlich gesagt habe ich das noch gar nicht ausgerechnet. Das mag komisch klingen bei einer Investition von damals 17.000 Mark für ein Kilowattpeak. Da mir aber nie etwas an der Rendite gelegen hat, ist es auch bis heute nicht wichtig für mich. Ich wollte einfach „Kraftwerksbetreiber“ werden.

War es im Nachhinein die richtige Entscheidung?

Auf jedem Fall! Der erste Teil der Anlage ist im kommenden Jahr 20 Jahre in Betrieb. Ich habe bisher nicht feststellen können, dass die Erträge in irgendeiner Weise zurückgegangen sind. Die Anlage liefert seit Jahren sehr gleichmäßige Erträge. Was mich ebenfalls gefreut hat ist, dass ich die Anlage elf Jahre später problemlos erweitern konnte auf die ursprünglich geplante Größe von zwei Kilowattpeak. Das heißt, ich habe 2005 noch Module gefunden die zu den elektrischen Daten meines elf Jahre alten Wechselrichters gepasst haben. Das ist bei dem technischen Fortschritt heute keine Selbstverständlichkeit mehr.

photovoltaikanlage-seltmannDie Photovoltaikanlage von Thomas Seltmann: knapp 2kW Leistung, bestehend aus 16 monokristallinen Modulen. Die acht Module der linken Hälfte wurden 2005 hinzugebaut, die acht Module auf der rechten Seite bilden die ursprüngliche Anlage von 1994.

Aus technischer Sicht ist die Wartungsfreiheit immer auch ein Verkaufsargument für Photovoltaikanlagen gewesen. Wie sah es bei Ihrer Anlage aus? Können Sie diesen Punkt bestätigen aus Ihrer Erfahrung?

Die Anlage läuft seit knapp 20 Jahren sehr sehr zuverlässig. Ich hatte in der gesamten Zeit keinerlei Ausfälle an irgendeiner zentralen Komponente. Ausgefallen ist dummerweise nur das Überwachungsgerät, welches mich ja eigentlich vor Ausfällen warnen sollte. Das waren die einzigen schlechten Erfahrungen, die ich gemacht habe. Letztes Jahr habe ich nach 18 Jahren allerdings den Wechselrichter ausgetauscht. Nicht weil er defekt war. Er lief einwandfrei. Sondern ich wollte den Zeitpunkt, wann ich ihn tausche, selber bestimmen um nicht auf die Schnelle ein Ersatzgerät besorgen zu müssen. Und ich erwarte mir durch das neuere Gerät etwas bessere Erträge.

Lassen Sie uns noch kurz bei den Erträgen bleiben. Über das Thema Reinigung wird seit einigen Jahren heftig diskutiert: wirkt sich Schmutz auf die Erträge aus oder nicht? Der Nutzen von Reinigungsarbeiten wird von vielen bezweifelt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Messtechnisch lässt es sich bei einer kleinen privaten Anlage kaum feststellen, ob sich Schmutz auf den Ertrag auswirkt und ob Putzen einen Mehrertrag bringt. An den Erträgen kann man es schlichtweg nicht feststellen. Als Experte empfehle ich deshalb immer, dass Photovoltaikanlagen besser regelmäßig auf technische Mängel und Verschmutzung untersucht werden sollten. Dass Module alle ein oder alle fünf Jahre gereinigt werden müssen kann man pauschal einfach nicht sagen. Bei meiner Anlage habe ich erst nach elf Jahren, als wir die Anlage erweitert haben, zum ersten Mal die Module gereinigt. Verdreckt waren die Module nicht direkt, es hatte sich aber ein gewisser Belag gebildet. Mit Schmutzrändern hatte ich kaum Probleme, da ich rahmenlose Module verwendet habe.

Das klingt nach einer positiven Bilanz. Würden Sie sich heute wieder eine Photovoltaikanlage kaufen?

Ganz grundsätzlich? Selbstverständlich! Das würde dann eine zehn Kilowattpeak Anlage werden mit mittelgroßem Speicher, um möglichst viel Strom selbst zu verbrauchen. Ich habe jedoch in meinem neuen Wohnort kein eigenes Dach mehr zur Verfügung weshalb ich mich an einer Genossenschaftsanlage beteiligt habe. Im Sinne einer demokratischen Mitbestimmung ist das eine schöne Möglichkeit, auch wenn man selbst keine eigene Anlage bauen kann oder kein fremdes Gebäude nutzten will.

Und was empfehlen Sie all jenen, die im Moment überlegen eine Photovoltaikanlage zu bauen?

Ob die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage in absehbarer Zeit wieder besser wird kann man derzeit nicht sagen. Auch ist noch nicht klar, welchen Weg die neue Bundesregierung bei der Energiepolitik einschlagen wird. Fest steht, dass derzeit die Anlagenpreise nicht mehr in dem Maße sinken, wie sich auch die Einspeisevergütung verringert. Sie ist bereits auf einem recht niedrigen Niveau angekommen, weshalb für Neuanlagen ein möglichst hoher Eigenverbrauch zu empfehlen ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich guten Gewissens zu einer Photovoltaikanlage raten.

Die Konditionen werden jedoch ungünstiger, je länger man wartet. Wer es besonders wirtschaftlich haben will dem empfehle ich, jetzt in eine Photovoltaikanlage zu investieren und den Batteriespeicher später nachzukaufen. Die Geräte werden mit Sicherheit noch massiv günstiger. Ob sich ein Speicher derzeit bereits rechnet ist schwer zu sagen. Die Kalkulationen reichen von knapp wirtschaftlich bis völlig unwirtschaftlich.

Hierfür hat die KfW Bank seit Mai ja ein Förderprogramm ins Leben gerufen…

Hier sollte man vorsichtig sein und sich gut überlegen, ob man die Förderung in Anspruch nimmt. Man verpflichtet sich mit diesem Förderprogramm zu einer Reihe von technischen Vorgaben, die man hinterher nicht mehr zurücknehmen kann. So kann die Photovoltaikanlage z.B. nur noch 60 Prozent der Leistung ins Netz einspeisen. Diese Vorgabe gilt für die gesamte Betriebsdauer der Anlage. Doch ohne Speicher ist das ein großer Nachteil.

Das heißt ich verpflichte mich so lange die Anlage läuft auch einen Batteriespeicher zu betreiben. Wenn er ausfällt, muss ich für Ersatz sorgen. Wenn es nicht wunschgemäß funktioniert kann ich den Speicher nicht einfach wieder abbauen und die Anlage normal weiter betreiben. Das zeigt, dass die technischen Einschränkungen ganz erheblich sind. Und das nur, um eine Förderung zu bekommen, die maximal 30 Prozent der Speicherkosten ausmacht. Da muss man schon ein Fragezeichen dahinter setzen, ob man sich an solche Bedingungen binden will.

Ein wichtiger Hinweis wie ich finde! Welche Auswirkungen solche Vorgaben haben kann der Laie vorab kaum abschätzen. Könnte man von solch einem Beispiel darauf schließen, dass es Interessenten heute schwerer haben, sich für eine Anlage zu entscheiden als Sie in den Anfangsjahren?

Nach meiner Einschätzung ist es heute unübersichtlicher geworden. Es wird sehr viel mehr Murks angeboten als in der Anfangszeit. Und es gibt auch deutlich mehr Scharlatane. Damals waren die wenigen Installateure Enthusiasten, um nicht zu sagen Überzeugungstäter, die tolle Anlagen bauen wollten. Heute sehen Sie es einem Installateur nicht an, ob er Ihnen gute Qualität verkauft und sauber installiert. Was bei Großanlagen heute üblich ist, dass ein Techniker nach der Installation die Anlage abnimmt und technische Mängel dokumentiert ist in der Form bei Kleinanlagen kaufmännisch und technisch gar nicht zu realisieren. Sie müssen also zwangsläufig dem vertrauen, was Sie bekommen. Das geht in den meisten Fällen gut. Wenn jedoch Mist gebaut wurde, merken Sie es meist erst nach ein paar Jahren, was fatal ist. Möglichkeiten zu finden, die Qualität der Anlagen zu kontrollieren, ist heute umso wichtiger geworden.

Ein Umstand, der sich auch in Ihrer eigenen Biografie widerspiegelt.

Stiftung-Warentest_Photovoltaik-Seltmann_thumbJa das ist richtig. Als ich Ende der 90er Jahre im Vertrieb für Photovoltaikanlagen gearbeitet habe, hätte ich den Kunden am liebsten immer ein Handbuch mitgegeben, in dem sie zu den gängigsten Fragen noch einmal alles nachlesen können. Aber so etwas gab es nicht. Da ich zu dieser Zeit schon einige Jahre nebenbei freiberuflich als Fachjournalist gearbeitete habe, habe ich dieses Projekt selbst in die Hand genommen und ein Anwenderhandbuch geschrieben, das 2002 veröffentlicht und in den Folgejahren dreimal neu aufgelegt wurde.

Vor zwei Jahren ist dann in Zusammenarbeit mit Stiftung Warentest ein weiterer Ratgeber für Endverbraucher erschienen, der dieses Jahr bereits in die vierte Auflage geht. Für mich ein deutliches Zeichen, wie hoch der Beratungsbedarf heute ist.

Dieses Buch können Sie gewinnen. Mehr Infos weiter unten.

Aber selbst mit einer Sonderpublikation für Stiftung Warentest findet Ihr Eifer für den privaten Anlagenbetreiber derzeit kein Ende. Sie sind schon wieder in einem neuen, sehr ambitionierten Projekt involviert: dem Solarbetreiber Club. Eine Art ADAC für Anlagenbetreiber. Wie kam es dazu?

Die Idee, dass es solch eine Organisation braucht, ist angesichts meiner Biografie ja recht naheliegend. Sie spukte auch schon länger bei mir herum und so habe ich mich im vergangenen Jahr einem Initiatorenkreis angeschlossen. Seit es weit mehr als eine Million Photovoltaikanlagen in Deutschland gibt war die Zeit einfach reif dafür, eine Initiative zu starten.

Was wollen Sie mit dem Solarbetreiber Club erreichen?

Wenn Betreiber kleiner privater Anlagen heute Hilfe benötigen, müssen Sie sich diese Stück für Stück selbst zusammensuchen. Große Umwelt- und Branchenverbände können hier nicht viel leisten. Für mich als Anlagenbetreiber ist aber schon eine Unstimmigkeit in der Abrechnung mit dem Netzbetreiber womöglich ein größeres Problem. Installateure bemühen sich hier redlich zu helfen, können im Zweifel aber auch nicht alles lösen, da sie im Prinzip auch nur dafür zuständig sind, qualitativ hochwertige Anlagen zu liefern und anzuschließen.

Da aber schon viele Anlagenbetreiber vor mir das gleichen Problem hatten und bestimmt eine Lösung gefunden haben, braucht es jemanden, der Hilfe zur Selbsthilfe organisiert. Jemanden, der ähnlich wie der ADAC für Autofahrer Pannenhilfe leistet, einen Rechtsschutz und Rechtsbeistand anbietet, der die Interessen der Anlagenbetreiber gegenüber der Politik vertritt und Ansprechpartner für Medien ist. Diese Hilfeleistung und Interessenvertretung speziell für die kleinen Anlagenbetreiber zu bündeln sehen wir als unsere Hauptaufgabe an. Denn bisher gab es so etwas in Deutschland nicht.

Wie wird die Initiative angenommen?

Das Interesse unter den Anlagenbetreibern ist sehr sehr groß. Momentan bieten wir zum Beispiel schon Telefonsprechstunden an und rechtliche Betreuung durch angeschlossene Juristen. Bis es zu einem Selbstläufer wird, brauchen wir aber noch mehr Mitglieder und ein stärkeres Mitgliederwachstum. Nach einem halben Jahr bestärkt uns aber der Zuspruch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Bei mehr als einer Million Photovoltaikanlagen in Deutschland ist das Potenzial einfach sehr sehr groß.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für den Club und bedanke mich für das Gespräch! 

Das Interview führte Christian Märtel.

### Gewinnspiel zum Interview ###

Thomas Seltmann hat uns drei Exemplare seines aktuellen Buches von Stiftung Warentest dagelassen, die wir bis Ende September verlosen. Sagen Sie uns einfach Ihre Meinung, ob Sie sich heute noch eine Photovoltaikanlagen kaufen würden. Wenn ja, zu welchem Zweck? Wenn nein, warum nicht? Schreiben Sie uns einen kurzen Kommentar direkt hier am Ende der Seite und Sie nehmen automatisch am Gewinnspiel teil. Unter allen Teilnehmern ziehen wir Anfang Oktober die drei Gewinner.

5 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert